Wild Zelten in Deutschland

Juristische Abenteuer mit Verletzungsgefahr?

Es ist still geworden und der Pfad menschenleer. Die Sonne berührt bereits den Horizont und die leichte Abendluft verführt trotz der Strapazen des Tages dazu, noch ein Stück weiterzulaufen. Doch die Karte weist diese Umgebung im weiten Umkreis als unbesiedelt aus. Bereits seit einer halben Stunde war kein Mensch mehr anzutreffen.


Bei einbrechender Dunkelheit treibt es alle zurück in die Täler. Die Wandergruppen haben bereits ihre Pensionen, Büffets und weichen Betten erreicht. Es ist die richtige Zeit, das Zelt hier draußen aufzustellen.

Der perfekte Platz

Der perfekte Platz liegt plötzlich neben dem Weg, mit einem schönen Ausblick und von einer Reihe aus Büschen abgeschirmt, hinter denen das niedrige Zelt kaum zu sehen ist. Der dezente Farbton der Zeltgaze tut sein Übriges dafür, das kleine Lager so diskret in die Landschaft einzufügen, damit es selbst ein später Wandersmann in der Abenddämmerung kaum noch wahrnehmen würde. Und bevor dann die Wanderer eines neuen Tages vorbeigekraxelt kommen, werde ich schon wieder unterwegs sein. Von meiner nächtlichen Lagerstatt wird dann auf dem kargen Steinboden nichts mehr zu sehen sein und niemand wird wissen, das ich überhaupt hier gewesen bin.

Dumpfes Unbehagen

So, oder so ähnlich spielt es sich von Frühjahr bis Herbst jeden Abend irgendwo in den abgelegenen Regionen Deutschlands ab. In der Regel wird jeder einmal am Tag so müde, dass er den Schlaf der Gerechten sucht. Wo aber beginnt und wo endet das Recht darauf, wenn man biwakiert? Kaum jemand weiß das einzuordnen und keiner will hier auf seine Rechtschutzversicherung vertrauen, die doch sonst für jede Bagatelle herhalten muss. Wegen der Furcht, da könnte nun eventuell etwas nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn der eifrige Revierpolizist die Zeltplane im Abendwind flattern sieht, beschleicht den frommen Biwakfreund am Ende des Tages nicht selten ein dumpfes Unbehagen, in der Nacht doch noch mit empörten Gezeter und Paragraphenbeterei aus dem Schlaf gerissen zu werden, den man nach einem langen Tag doch so bitter nötig hat. Um hier keine besonderen Vorkommnisse zu erleben, hält sich der Betreffende stets gern im Hintergrund, denn wo kein Kläger, da kein Ruhestörer.

Mit Kleinzelt und Tütenessen

Auch wenn die meisten Wanderungen in Deutschland jeden Abend in einem komfortablen Bett enden, so gab, gibt und wird es daneben immer auch den Typus des Langstreckenwanderers geben, der mit Kleinzelt und Tütenessen im Gepäck loszieht und am Abend nicht wieder in die Gefilde der Zivilisation zurückfindet bzw. finden möchte. Wegen des beschränkten Bewegungsradius beim Wandern stellt sich dabei immer wieder die Frage nach der Übernachtung. Das Biwak ist hier eine Alternative zum Pensionszimmer und in abgeschiedenen Regionen oft auch die einzige Möglichkeit.

Rechtsvakuum ohne Schutzhütte

Der Großteil der traditionellen Wanderregionen Deutschlands ist in irgendeiner Art mit einem Natur- oder Landschaftsschutzprädikat ausgestattet. Dort wird das Biwakieren in der Regel eindeutig geregelt, nämlich verboten, wenn dafür keine ausgewiesenen Plätze vorhanden sind. Einzig liberaler sind die Vorgaben für das Biwakieren im hochalpinen Raum, das in den entsprechenden Regionen oft eine Sonderbehandlung erfährt, da es dem Bergsport als in gewisser Weise notwendig zugeordnet wird. Hier findet man sogar die eine oder andere Schutzhütte. Derjenige jedoch, der gerade nicht im hochalpinen Raum oder im Nationalpark unterwegs ist, den verschlägt es leicht in ein scheinbares Rechtsvakuum ohne Schutzhütte, in dem klare Regeln für das Biwakieren fehlen.

Brauche ich beim Biwak kriminelle Energie?

Vor dem Zeltaufbau ist der Langstreckenwanderer hierzulande oft mit erheblichen Unklarheiten konfrontiert; wie etwa: Heißt das Wegegebot, dass ich nur auf dem Weg zelten darf? Brauche ich beim Biwak kriminelle Energie? Für eine Klärung hilft es auch wenig, einen Anwalt dabei zu haben, wenn der nicht zufällig die örtliche Gesetzeslage kennt. Beim Biwakieren handelt es sich nämlich um eine rechtliche Grauzone in Deutschland, wobei es „Grau“ nicht ganz auf den Punkt bringt; vielmehr ist es ein fröhliches Kunterbunt aus einem ganzen Sammelsurium kurioser Regelungen und rechtlicher Auslegungsvarianten. Der einzige grundlegende Konsens: Das Betreten des betreffenden Territoriums muss erlaubt sein. Das Betreten meint juristisch jedoch nur einen vorübergehenden Aufenthalt, worum es sich beim Biwak per Definition nicht mehr handelt. Das allein hilft also auch nicht weiter.

Ein „Jedermannsrecht“ nicht für jeden

Andere Staaten, konkret die Schweiz und die skandinavischen Länder – ausgenommen Dänemark – haben für das Biwakieren ein auf Traditionen beruhendes Gewohnheitsrecht, das sogenannte „Jedermannsrecht“. In Deutschland hingegen sind dementsprechende Regelungen Ländersache und fallen von Bundesland zu Bundesland verschieden aus. Dabei wird gelegentlich ein Unterschied gemacht, ob man im Zelt oder unter freiem Himmel nächtigt. Ausschlaggebend ist in der Regel, wo und für wie lange man biwakiert. Für alle in irgendeiner Form als Naturschutzgebiet klassifizierten Regionen und in der Regel auch Wälder – sie unterstehen der jeweils zuständigen Forstbehörde – gilt ein klares Nein! Für ein offenkundig privates Gelände – auch das kann ein Wald sein – ist wiederum das Einverständnis des Besitzers einzuholen. Da der jedoch nicht immer auffindbar ist, gibt es beispielsweise im Mecklenburger Havelseengebiet eine Regelung in Form einer abgeschwächten Variante des „Jedermannsrecht“, die im Zweifelsfall das Aufstellen eines Zeltes für eine Nacht erlaubt.

Ermessenssache

Derart liberal geht es jedoch nicht überall zu. Im individuellen Fall ist es Ermessenssache jedes Einzelnen, ob der sich zum Abenteuer Biwak entschließt. Grundsätzlich gilt in Deutschland der Rechtsvorbehalt. Der besagt, das alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, zunächst erlaubt ist. Dies impliziert jedoch, dass man sich über die jeweils gültige Gesetzeslage informiert hat, um eben auch zu wissen, was nicht geregelt ist. Wegen der uneinheitlichen Regelungen zwischen Oder und Rhein kann das jedoch schnell mühselig werden. Dementsprechend empfiehlt sich als eine erste Anlaufstelle immer die zuständige Tourismusinformation. Doch auch die kann mit einer solchen Anfrage überfordert sein und verweist im Zweifelsfall allzu schnell mit einem Achselzucken auf die örtlichen Beherbergungsbetriebe.

Abenteuer auf juristischem Glatteis

Wer biwakiert, erlebt in jedem Fall Abenteuer, die über das allabendliche Gedrängel am Hotelbüffet hinausgehen und kann sich nur selten sicher davor sein, nicht doch irgendwie aufs juristische Glatteis zu geraten. Mit solch verwegener Abenteuerlust steht man aber nicht alleine, denn in der allgemein üblichen Praxis haben hierzulande bereits bundesländerübergreifend insbesondere Angler und Paddler aus dem Biwak ein Gewohnheitsrecht für sich gemacht. Und dann gibt es da noch die anderen; eine Dunkelziffer, die mit ihrem kleinen Lager hinter Büschen verborgen bleiben will, denn so richtig genau weiß ja niemand.

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